Handelsgerechtigkeit

Fairtrade Nikolaus und faire Schokolade zu Weihnachten

Fairtrade Nikolaus und faire Schokolade zu Weihnachten
Die Schoko-Nikoläuse lächeln aus allen Ecken, die Supermarktregale quellen über mit günstigen Schoko-Produkten. In unseren Schoko-Tastings werden wir deshalb während der Vorweihnachtszeit oft gefragt, ob unsere Schokoladen denn auch Fairtrade seien und was wir von dem Siegel halten. Wir wollen deshalb etwas Licht in den Fairness-Dschungel bringen und Euch passend zu den Weihnachtseinkäufen ein paar wichtige Infos mit den auf den Weg geben.

Was ist Fairtrade und was Direct Trade?

Bis vor einigen Jahren war Fairtrade Schokolade das Maß aller Dinge, wenn es um ethisch produzierte Tafeln ging. Seit einiger Zeit steht Fairtrade allerdings immer wieder in der Kritik, es schießen neue „faire“ Siegel wie Pilze aus dem Boden und auch Ansätze wie direkter Handel werden neu diskutiert. Und auch wenn beide Begriffe oft in einem Atemzug genannt werden, so sind sie doch im Kern sehr unterschiedlich. Was jedoch beide gemeinsam haben, ist der Fokus auf eine ethischere und transparentere Lieferkette. Insbesondere Fairtrade geriet zuletzt in die Kritik, weil u.A. die Washington Post aufgedeckt hatte, dass zertifizierte Kakaobohnen weder frei von Kinderarbeit sind noch den Kakaobauern und -bäuerinnen gerechte Löhne garantieren.

Die unterschiedlichen Ansätze

Fairtrade richtet sich an größere Schokoladenproduzenten, während direkter Handel bislang von vergleichsweise kleinen Hersteller:innen praktiziert wird. Fairtrade ist ein Zertifizierungssystem, während direkter Handel eine Beschaffungsart beschreibt. Und während Fairtrade eine internationale Organisation mit eingetragener Marke ist, kann der Begriff „Direct Trade“ von jedem und jeder genutzt werden.
Direkter Handel beschreibt also eine Praxis der Beschaffung von Rohstoffen. Hierbei wollen sich die Schokoladenhersteller:innen selbst davon überzeugen, wie die Kakaobauern arbeiten, wie sie ihre Mitarbeiter:innen behandeln und wie es um die Qualität der Kakaobohnen steht. Durch fundierte Kenntnisse und Wissen aus dem Netzwerk, wählen Hersteller die Farmen, mit denen sie zusammenarbeiten, selbst aus, bauen Beziehungen zu den Bäuerinnen und Bauern auf und kaufen den Kakao ohne Zwischenhändler und vor allem ohne Zertifizierungsgebühren. Auf diese Weise beschafft beispielsweise das Team von Zotter seine Kakaobohnen.
 
direkter handel

Was viele Menschen verwirrt: Wenn von direkt gehandelten Kakaobohnen gesprochen wird, sind in einigen Fällen trotzdem Zwischenhändler wie Uncommon Cacao zwischengeschaltet. Im Gegensatz zu Fairtrade – wo ein riesiger internationaler Zertifizierung-Apparat mit fraglichen Praktiken mitfinanziert werden muss – sind diese kleinen Zwischenhändler meist direkt vor Ort und fokussieren sich auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region. Dies entlastet vor allem die Kakaobauern und -bäuerinnen, da sie nicht mit allen Hersteller:innen einzeln arbeiten müssen. Händlerinnen wie Uncommon Cacao bieten darüber hinaus direkte Kontakte, jährliche Transparenzberichte, Qualitätskontrollen sowie konkretes Wissen über Arbeitsbedingungen und faire Löhne vor Ort. Im Gegensatz zu Fairtrade gibt es bei direktem Handel keinen Mindestprozentsatz oder Mindestpreis, dafür schwanke die Preise nicht und werden nicht am Weltmarkt gehandelt. Stattdessen werden die gezahlten Preise veröffentlicht und die Qualität und Herkunft der Kakaobohnen transparent dargelegt.
Deshalb ist der direkte Handel – aus der Sicht vieler Expert:innen – die moderne und transparente Antwort auf Fairtrade. Während viele Menschen gerne ethischere Konsumentscheidungen treffen möchten, verunsichern sie der zunehmende Dschungel an dubiosen Siegeln und Zertifizierungsprogrammen. Als ‚Label Fatigue‘ wird diese Herangehensweise von Expertinnen wie Elizabeth Bennent kritisiert. Die Autorin vom ‚Handbook of Research on Fair Trade‘ geht davon aus, dass große Konzerne sich dies zunutze machen. Diese setzen darauf, dass Konsumentinnen und Konsumenten vor lauter Labels überfordert sind und schließlich aufgeben und einfach darauf vertrauen, ohne genauer zu recherchieren. Genau hier setzt der direkte Handel einen Kontrapunkt, denn es wird versucht, eine größtmögliche Transparenz zu schaffen, sodass sich Konsument:innen nicht selbst in den Recherchedschungel begeben müssen. Aber Achtung: auch mit dem Begriff ‚Direct Trade‘ ist nicht geschützt und wird daher teilweise fälschlicherweise genutzt. Im Gegensatz zu Fairtrade ist es hier aber einfacher zu erkennen, ob die Unternehmen den Ansatz ernst meinen oder nur als kommunikatives Tool. Um Euch trotzdem die Recherche zu ersparen, nehmen wir all unsere Hersteller:innen genau unter die Lupe und bieten Euch nur ethisch produzierte Schokoladen in unserem Schoko-Shop an.

Warum wir bei Theyo auf Direct Trade Schokoladen setzen

Auch wenn wir die Idee von Fairtrade grundsätzlich unterstützen, ist sie alles andere als ein Garant für fair gehandelte Schokolade. Es gibt nachvollziehbare Gründe dafür und jede:r, der sich genauer mit globalen Lieferketten auskennt, kann dies nachvollziehen. Nichtsdestotrotz ist die Zertifizierung irreführend und da sie nicht (mehr) funktioniert, ist sie auch nicht zeitgemäß. Um wirklich etwas zu verändern, müssen die Strukturen der Lieferketten angepasst werden und mit den Kakaobäuerinnen und -bauern auf Augenhöhe gearbeitet werden. Und genau hier kommt der direkte Handel ins Spiel. Denn nur, wenn sich die Handelspartner:innen kennen, können Langzeitverträge geschlossen und gemeinsam an der Qualität der Kakaobohnen gearbeitet werden. Durch eine direkte Beziehung können Arbeitsbedingungen besser verstanden und angemessene Preise verhandelt werden.
Natürlich könnte man auch hier kritisieren, dass es keine externe Überprüfung gibt. Nach allem, was Ihr nun aber über Fairtrade wisst, kann man dies natürlich auch an Fairtrade und anderen Zertifizierungsorganisationen kritisieren. Denn Fairtrade wird wiederum auch nicht überprüft und scheint eher zu verschleiern, als Transparenz schaffen zu wollen.
Durch den direkten Handel müssen wir also nicht auf dubiose Zertifizierungen vertrauen. Wir bei Theyo schauen sehr genau, wo die Kakaobohnen unserer Hersteller:innen herkommen. Finden wir nicht genügend Infos, gehen wir der Sache genauer nach. Denn auch wir haben von den dubiosen Machenschaften eines bekannteren Berliner Schoko-Herstellers gehört, der sich schlichtweg Fantasie-Namen für Kakaoplantagen ausgedacht hat, welche gar nicht existiert haben. Um diesen Marketing-Scam zu vermeiden, sind wir gut vernetzt in der Kakao-Branche und kennen die Kooperativen und Farmen, mit denen unsere Partner:innen arbeiten. Durch die stark verkürzten Lieferketten gibt es weniger bzw. keine Zwischenhändler. Auf diese Weise kommt deutlich mehr Umsatz bei den Kakaobauern und -bäuerinnen an. Und genau das ist es, was Studien seit Jahrzenten belegen: faire Löhne sind das beste Mittel, um Kinderarbeit zu bekämpfen. Denn nur so ist gegeben, dass Familien von den Löhnen ernährt werden können und sie nicht auf die Unterstützung ihrer eigenen Kinder angewiesen sind. Gerechte Löhne gelten deshalb laut der Forscherin Kristy Leissle als eines der wichtigsten Mittel gegen Kinderarbeit.
Anstatt einen pauschalen Aufschlag auf einen Preis zu zahlen, der am Weltmarkt gehandelt wird und deshalb stark schwankt, ist direkter Handel derzeit die beste Option. Hier können faire Preise ausgehandelt werden, die für beide Parteien attraktiv sind. Der Fokus geht hierbei sogar über Fairness hinaus. Stattdessen werden Aspekte in den Blick genommen, die einen wirklichen Mehrwert schaffen und dementsprechend einen höheren Preis in vielerlei Hinsicht rechtfertigen: eine hohe Qualität, eine besonders nachhaltige Anbaumethode, eine seltene Kakaosorte, ein feiner Geschmack. Hersteller:innen von Edelschokoladen reicht es nicht, ein Pseudo-Label auf ihrer Verpackung zu platzieren. Sie wollen tatsächlich etwas ändern und feine, nachhaltige und ethisch korrekte Kakaobohnen beziehen und eben keinen fairtrade Nikolaus.

faire schokolade zu weihnachten

Und warum ist direkt gehandelte Schokolade so teuer?

Auch diese Frage bekommen wir regelmäßig in unseren Schoko-Tastings gestellt. Und zugegebenermaßen waren auch wir am Anfang ziemlich erschrocken. Denn schnell wurde uns bewusst: wenn das der „wahre“ Preis für Schokolade ist, unter welchen prekären Bedingungen müssen dann Supermarkt-Schokoladen produziert werden? Natürlich hat dies nicht ausschließlich mit den Bedingungen in den Lieferketten zu tun, sondern auch mit Skaleneffekten. Doch die heutige konventionelle Schokoladenherstellung ist dermaßen durchoptimiert, dass dabei Mensch, Natur und Aromenvielfalt auf der Strecke bleiben. Angefangen bei den konventionellen Kakaoplantagen, für die Regenwälder gerodet werden. Dies hat laut der Oxford University zur Folge, dass der CO2-Fußabdruck einer Schokolade fast so schlecht ist wie der von Rindfleisch. Kinderarbeit ist nach wie vor Gang und gäbe, teilweise sogar Kindersklaverei. Schließlich werden die Kakaobohnen von einigen, wenigen Exporteuren eingesammelt und bereits verarbeitet in westliche Länder importiert. Hierbei werden die Bohnen so stark überröstet, dass man garantiert keine Aromen mehr herausschmecken kann. Ergänzt durch billige Fette, Aromenstoffe und Zucker, werden die Schokoladen dann zu niedrigen Preisen im Supermarkt angeboten.
Die Herstellung feiner Schokoladen aus direkt gehandelten Bohnen steht im starken Kontrast hierzu. Es werden direkte Beziehungen zu den Landwirten gepflegt, die ihre Edelkakaobäume in Permakultur anbauen oder teilweise sogar wild ernten. Bei den Kakaobäumen handelt es sich häufig um alte Sorten, denen neues Leben eingehaucht wird. Dies trägt zu ihrem Erhalt bei und rettet nicht selten Lebensräume besonderer Tierarten. Teilweise kommen die feinen Sorten ungewöhnlichen Ursprungsländern oder -orten, was wiederum mit höheren Beschaffungspreis einhergeht. Darüber hinaus haben feine Schokoladen oft einen höherem Kakaogehalt, da so die seltenen Aromen besonders gut zur Geltung kommen. Je höher der Kakaoanteil, desto höher ist auch der Preis im Einkauf. Denn Zucker und Milchpulver sind deutlich günstiger als Edelkakaobohnen. Auch das erklärt, wieso in gewöhnlichen Supermarktschokoladen häufig so viel Zucker steckt.

 

Friend or Foe: der Fairtrade Nikolaus

Auch wenn die Intention beim Kauf von einem Faitrade Nikolaus eine gute ist, so gibt sie vor allem den Konsument:innen ein gutes Gefühl. Viel mehr als das bewirkt der Kauf jedoch häufig nicht. Warum das so ist?

Die Fairtrade-Zertifizierung allein reicht nicht

Verschiedene Untersuchungen, Forschungsprojekte und nicht zuletzt investigative Medien haben in jüngerer Vergangenheit festgestellt, dass Fairtrade häufig nicht ausreicht. Trotz Zertifizierung leben die Kakaobauern und -bäuerinnen in extremer Armut. Abhängig vom Weltmarktpreis, den politischen Bedingungen und anderen Faktoren, erhöht sich das jährliche Einkommen der Landwirte durch Fairtrade maximal um 10 - 16%. Dies bedeutet laut Weltbank, dass das Einkommen – trotz "fairem Handel – weiterhin unter der Armutsgrenze liegt. Und auch wenn die Konsument:innen oft deutlich höhere Preise zahlen, kommt trotzdem nicht genug bei den Bäuerinnen und Bauern an. Stark kritisiert wurde Fairtrade zuletzt wegen fehlender Kontrollen vor Ort. Viel zu häufig wurde nachgewiesen, dass Fairtrade es trotz Zertifizierung nicht schafft, Kinderarbeit auf Plantagen zu verhindern.

Fairtrade oft nicht mehr als Greenwashing

Ihr habt Euch bestimmt schon gefragt, wie eine Fairtrade Schokolade im Supermarkt teilweise unter einem Euro kosten kann. Der Trick: die Hersteller:innen arbeiten mit einem Mengenausgleich. Das bedeutet kurz gesagt, dass nicht alle Kakaobohnen in der gekauften Schokolade fair sein müssen. Weiter unten erfahrt Ihr, was es genau mit dem Mengenausgleich auf sich hat! Doch selbst wenn eine Tafel komplett aus zertifizierten Zutaten besteht, kommt zumeist immer noch der Großteil des Geldes bei großen Konzernen oder der Organisation Fairtrade selbst an. Je nach politischer Lage kommt es immer wieder vor, dass Landwirte in Ghana höhere Löhne und mehr Unterstützung von konventionellen Handelspartnern bekommen, als wenn sie bei Fairtrade mitmachen. Hinzu kommt, dass die von Fairtrade auferlegten Auflagen teilweise nicht viel Sinn für die Farmer:innen vor Ort machen und ihre Leben dementsprechend nicht verbessern, sondern eher komplizierter machen.
Ihr habt keine Lust mehr auf den Fairtrade Nikolaus aber Lust auf faire Nikolaus-Schokolade oder Schokolade zu Weihachten? Dann schaut doch mal bei unserm Nikolaus-Tasting vorbei oder lasst Euch von unseren köstlichen Schoko-Boxen überzeugen!
Ihr seid häufiger in „analogen“ Schoko-Shops unterwegs? Dann schaut Euch unsere Tipps an, woran Ihr richtig gute Schokoladen erkennt.

nikolaus schokolade fair

 

FAQ Mengenausgleich

Was bedeutet ‚Mengenausgleich‘?
Mengenausgleich bedeutet, dass fair gehandelte und zertifizierte Rohstoffe mit nicht-zertifizierten gemischt werden. Die Mengenangaben und Lieferketten müssen genau festgehalten werden, FLO-CERT kontrolliert dies. Denn natürlich darf nur so viel Ware als ‚fair‘ gekennzeichnet werden, die nach Fairtrade-Vorschriften beschafft wurden. Dies kann dann allerdings bedeuten, dass eine Schokolade, die als ‚fair‘ beworben wird, aus keiner einzigen fairen Kakaobohne produziert wurde. Andersrum könnte eine Schokolade ohne Siegel wiederum aus Fairtade-Kakaobohnen hergestellt worden sein.

In welchen Fällen wir der ‚Mengenausgleich‘ genutzt?
Der Mengenausgleich ist nur bei ausgewählten Lebensmitteln erlaubt: bei Kakaobohnen, Tee, Zucker und Fruchtsäften. Der Gedanke dahinter ist gut, denn es geht darum, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Wenn (kleinere) Fairtrade-Bäuerinnen und -bauern ihre Rohstoffe nicht loswerden, dann kann der Mengenausgleich genutzt werden. Damit die Lebensmittel nicht verderben, dürfen die Hersteller:innen sie dann auch auf konventionellen Maschinen verarbeiten oder in konventionellen Lagern aufbewahren. Normalerweise müssen Fairtrade Kakaobohnen streng von konventionellen getrennt werden. Bei allen anderen Fairtrade-Produkten ist dies ausgeschlossen, sie werden streng getrennt und es muss komplett rückverfolgbar sein, von welchen Produzenten die Fairtrade-Produkte stammen.

Werden die betroffenen Produkte gekennzeichnet?
Fairtrade schreibt vor, dass alle betroffenen Produkte gekennzeichnet werden. Ihr habt noch nie den Hinweis „mit Mengenausgleich“ auf einem Produkt gesehen? Das liegt vermutlich daran, dass nicht vorgegeben ist, wie die Kennzeichnung gestaltet werden muss oder wo platziert. Deshalb ist sie meist in sehr kleiner Schrift und ohne genauere Erklärung auf den Verpackungs-Rückseiten „versteckt“.

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