Handelsgerechtigkeit

Die Bedeutung der häufigsten Nachhaltigkeits-Siegel

Die Bedeutung der häufigsten Nachhaltigkeits-Siegel
In den vergangenen Jahren hat die Siegel-Dichte auf unseren Produkten im Supermarkt deutlich zugenommen. Für alles gibt es ein Siegel, von vegan, vegetarisch, über bio, regional bis hin zu fairem Handel. Vor allem Produkte, die oder deren Zuteten von weit her transportiert wurden, wie beispielsweise der Kakao von Schokolade, tragen solche Siegel. Sie fungieren als eine Art Entscheidungshilfe für Käufer:innen, die Wert auf fairen Handel und Qualität ihres Einkaufs legen. Eine Frage, die uns in diesem Zusammenhang immer wieder erreicht, ist: Wie vertrauenswüdig sind diese Siegeln aus dem Supermarkt? Können wir uns auf der Suche nach fairer und nachhaltig produzierter Schokolade auf diese verlassen? Die Antwort auf diese Frage ist leider nicht ganz befriedigend, denn: Es kommt drauf an. In diesem Artikel wollen wir über Siegel im Allgemeinen und die Bedeutung der wichtigsten Nachhaltigkeits- und Fairtradelabels auf Schokolade sprechen. Abschließend klären wir, ob es überhaupt vertrauenswürdige Siegel gibt und worauf Ihr beim Einkauf achten solltet.


Wozu gibt es überhaupt Siegel?

Siegel oder sogenannte Zertifizierungen sollen den Konsument:innen helfen, leichter ihre Kaufentscheidungen zu treffen. Anstatt also selbst lange recherchieren zu müssen, ob das angebotene Produkt unserer "Kaufmoral" entspricht, wollen Siegel uns diesen Schritt ersparen. Legen wir beispielsweise Wert auf Bioqualität unserer Lebensmittel, zeigt uns das Biolabel, dass das Produkt diesen Anforderungen entspricht. Und nicht nur Lebensmittel tragen Siegel. So ziemlich alles, was man kaufen kann, kann auch mit Zertifizierungen gelabelt werden: Kosmetik, Bauprodukte, Putzmittel, Bürobedarf, ...
Mittlerweile steht bei Siegeln aber bedauerlicherweise nicht mehr unbedingt das Konsumenteninteresse im Vordergrund. Anstatt reine Informationssysteme zu sein, sind Siegel inzwischen eigentlich eher ein Marketinginstrument des Produzent:innen, aber dazu später mehr.


Interessant ist, dass es unterschiedliche Siegelgruppen gibt:

Ein Siegel ist nicht gleich ein Siegel. Denn es gibt unterschiedliche Gruppen, in die diese eingeordnet werden können:
Eine Gruppe sind staatliche Siegel, wie das schon erwähnte Bio-Siegel. Um dieses Label zu erhalten, müssen gesetzlich festgelegte Vorgaben erfüllt sein. Dann gibt es noch Siegel von Interessensgruppen und Organisationen, zum Beispiel das bekannte Fairtrade Siegel. Sie garantieren die Einhaltung gewisser Standards, die diese Organisationen selbst bestimmt haben. Bei solchen Labels sind also große Unterschieden in den erwarteten Standards möglich, abhängig von der Schwerpunktsetzung des jeweiligen Siegelgebers. Zuletzt gibt es noch Siegel, die von den jeweiligen Unternehmen selbst stammen und gewisse "premium"-Eigenschaften des Produkts hervorheben sollen. Die Siegel-Bedeutung legt das Unternehmen somit selbst fest. Viele Hersteller sparen sich beispielsweise das offizielle Vegan-Label. Stattdessen entwerfen sie schlichtweg selbst ein unternehmenseigenes Siegel, das die Konsument:innen wissen lässt, dass das Produkt keine Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs enthält.
Sich das offizielle Siegel zu "sparen" ist in diesem Zusammenhang übrigens genau richtig geschrieben. Denn die Verwendung offizieller Label kostet. Soll beispielsweise das Produkt mit der veganen Blumen gelabelt werden, fließt ein Anteil jeden verkauften Produktes als Lizenzgebühr an die Siegelorganisation. Alternativ müssen die Produzent:innen Gebühren zahlen, unter anderem die Kosten der Überprüfung der Standards, um ihr Produkt mit einem bestimmten Label zu schmücken.


Was sind die häufigsten Siegel auf Schokolade?

Schauen wir auf Lebensmittel oder ganz explizit auf Schokolade, wird die Vielfalt der verschiedenen Siegel offensichtlich. Vielen Schokofans ist mittlerweile wichtig, dass der Kakao ihrer Schokolade fair und nachhaltig produziert wurde. Für fairen Handel gibt es sogar mehrere Lables. Weil sich Nachhaltigkeit aber in unterschiedlichen Dimensionen abspielt, der sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, ..., gibt es dafür nicht genau ein ganz bestimmtes Siegel. Aber einige Label kommen der Idee schon relativ nahe.
Ökologische Nachhaltigkeit beispielsweise kann, zumindest in gewissem Maß, durch Bio-Anbau garantiert werden. Denn im Bio-Anbau wird auf einen maßvollen Einsatz von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln geachtet. Trotzdem ist Bio-Anbau nicht gleichzusetzen mit nachhaltigem Anbau. Denn Kakao mit Bio-Siegel stammt trotzdem meist aus Monokulturen, die ja bekanntlich alles andere als ökologisch nachhaltig sind. Für Bio-Anbau gibt es zahlreiche Siegel. Diese Siegel haben zwar eine ähnliche Bedeutung, aber unterschiedlich strenge Anforderungen an die Betriebe. Das deutsche und das EU Bio-Siegel haben im Vergleich nicht die strengsten Voraussetzungen und sind im Prinzip genau gleich. Bio-Land, Naturland und Demeter hingegen haben deutlich strengere Kriterien und berücksichtigen auch Nachhaltigkeitsaspekte.
Andere Siegel, die vor allem Supermarktschokolade oft trägt, sollen den fairen Handel des Produkts gewährleisten, also die Dimension der sozialen Nachhaltigkeit. Am bekanntesten ist sicher das Sozialsiegel "Fairtrade". Dem Namen entsprechend steht es für sozialen Handel und ist größtenteils auf Produkten zu finden, die von weither und somit oft aus Ländern, mit mangelhaft rechtlich geregeltem Arbeiterschutz, stammen. Auch bekannt und auf vielen Supermarkt-Produkten zu finden: UTZ Certified. Dieses soll Nachhaltigkeit nach wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien garantieren. Das letzte der wohl bekanntesten Label in diesem Zusammenhang ist Rainforest Alliance, für Betriebe und deren Produkte, die nach Umwelt- und Sozialkriterien arbeiten.
Im nächsten Abschnitt betrachten wir die letzten drei Label noch etwas genauer.


Die Bedeutung der häufigsten fair trade und Nachhaltigkeits-Siegel

In diesem Abschnitt wollen wir uns die drei größten Fairtrade Siegel und deren Bedeutung etwas genauer anschauen. Denn auch wenn sie ähnliches versprechen, unterscheiden sich ihre Schwerpunkte doch deutlich voneinander.

Beginnen wir mit dem Fairtrade-Siegel und seiner Bedeutung:


Das Fairtrade Label auf Bananen

Das wahrscheinlich bekannteste Label für fairen Handel legt seinen Fokus ganz klar auf die Produzent:innen. Besonders Kleinbauern und -bäuerinnen sollen gestärkt werden und mit größerer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ausgestattet werden. Kriterien von Fairtrade zur Durchsetzung dessen sind die Zahlung von Mindestpreisen an die Bauern, Sozialprämien, Existenzlöhne, Vorfinanzierung und natürlich fairer Handel. Das Fairtrade-Siegel hat eigens definierte Standards, deren Einhaltung FLOCERT überprüft, der globale Zertifizierer von Fairtrade. Die Qualität wird beim Mindestpreis allerdings nicht berücksichtigt. Neben der Qualität sind auch Umweltthemen bei diesem Label eher nachrangig. Um das Siegel zu erhalten, müssen die Kooperativen etwas mehr als 5.000 Euro zahlen.


Was ist die Bedeutung des Rainforest Alliance-Siegel?


Das Siegel von Rainforest Alliance

Rainforest Alliance
zielt auf den Schutz der Biodiversität und auf landwirtschaftliche Produktion im Einklang mit der Natur. Sie setzen dafür auf ökologische Landwirtschaft, die Erhaltung der Artenvielfalt und der Förderung der Bildung im Bereich der Umwelt und Landwirtschaft. Auch dieses Zertifizierungssystem hat seine eigenen Kriterien, deren Einhaltung wiederum SAN, ein Zusammenschluss gemeinnütziger Umweltorganisationen, prüft. Die Aufnahmegebühr ist deutlich geringer als bei Fairtrade, um etwas mehr als die Hälfte. Auch bei Rainforest Alliance ist aber die Qualität gegenüber der ökologischen Landwirtschaft nachrangig. Anstatt auf Mindestpreise setzt Rainforest Alliance auf die Befähigung der Bauern zu eigenständigen Preisverhandlungen.


Und was ist mit UTZ?

Letztes Siegel in der Reihe ist UTZ. Hier liegt der Fokus auf dem Endprodukt und den verschiedenen Produktionsschritten. Schwerpunkte sind nachhaltige, transparente Landwirtschaft und Rückverfolgbarkeit. Erreicht werden soll dies durch Professionalisierung des Anbaus und des Farmmanagements.  Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Verbesserung der Anbaubedingungen auch zu Qualitätsverbesserungen führen. Die Aufnahmegebühr für eine UTZ Zertifizierung liegt in etwa im gleichen Bereich wie bei Rainbow Alliance. Dafür überprüfen lokale und internationale Zertifizierungspartner die Einhaltung der UTZ Standards.
Mittlerweile ist UTZ mit Rainbow Alliance fusioniert. Deshalb wird es früher oder später wohl vom Markt verschwinden.

Das Siegel von UTZ
 


Und wie sieht es mit GEPA aus?

Als letztes sei noch GEPA genannt. Hierbei handelt es sich um kein Siegel im klassischen Sinne, denn GEPA ist eines der größten europäischen Fair-Handelsunternehmen. Es importiert Produkte und Rohstoffe von benachteiligten Produzent:innen zu fairen Bedingungen und vermarktet sie in Deutschland. Mittels fairen Handel will das Unternehmen die Lebensbedingungen strukturell und wirtschaftlich benachteiligter Menschen verbessern. Die Zahlung fairer Preise, Vorfinanzierung auf Anfrage durch die Produzent:innen und langfristige Handelsbeziehungen sind einige der Pfeiler, auf die das Unternehmen setzt.


Welche Gütesiegel sind vertrauenswürdig?

Die unschöne Wahrheit über Zertifizierungen ist: Leider halten die meisten Siegel nicht, was sie versprechen und werden heute eher als Marketinginstrument (aus)genutzt. Hinsichtlich der Bedeutung von Siegeln und der tatsählichen Umsetzung sind verschiedene Punkte problematisch:


Kein vollständiges Erfüllen der Siegel-Kriterien

Eines der Probleme von Siegeln hängt mit den Zertifizierungsverfahren zusammen. Man könnte meinen, dass das Siegel nur dann vergeben wird, wenn alle Standards erfüllt sind. In der Praxis ist es jedoch so, dass zwischen obligatorischen und fakultativen Kriterien unterschieden wird. Oft wird das Label auch vergeben, wenn die Kriterien nicht komplett erfüllt werden. In diesem Fall erhalten die Produzent:innen Erfüllungkriterien mit relativ langer Zeitlauf von 1-3 Jahren. Die Siegel-Bedeutung wäscht sich so aus.


Produkte mit Fairtrade Siegel: "Fair" Trade, aber nicht zu 100 Prozent

Ein weiteres Problem ist, dass bei Mischprodukten, also Produkten aus mehr als einer Zutat, nur ein gewisser Prozentsatz den Kriterien gemäß gehandelt worden sein muss, um das Label aufzudrucken. Bei dem Fairtrade-Siegel sind das beispielsweise nur 20 Prozent. Wenn also nur ein Fünftel der Zutaten fair gehandelt wurde, darf sich das Produkt bereits mit dem Siegel schmücken. Bei UTZ wird ein solcher Mindestprozentanteil gar nicht vorgeschrieben. Am strengsten ist GEPA mit 50 Prozent.
Ein weiteres Täuschungsmanöver den Kund:innen gegenüber ruht in der Praxis des Mengenausgleichs. Dabei werden fair und nicht fair gehandelte Produkte gemischt und ein Teil davon anschließend als fair ausgeschrieben. Wenn Ihr also ein Produkt in der Hand habt, auf dem Fairtrade steht, am besten immer noch einmal genau hinschauen. Der Hinweis auf den Mengenausgleich verstecken viele Produzent:innen in kleiner Schrift auf der Rückseite der Verpackung.
Diese Täuschung ist überhaupt nur möglich, weil es an passenden Gesetzen und Regeln in Deutschland, beziehungsweise weltweit, was die Siegelvergabe angeht, deutlich mangelt. Klare gesetzliche Vorgaben zugunsten der Kosnsumierenden könnten dieser Täuschung Abhilfe schaffen.


Unser Fazit zum Siegel-System: Eine schöne Idee, in der Ausführung hapert es jedoch

Das Ziel, die Verbesserung der Lebensbedingungen der benachteiligten Produzent:innen, haben grundsätzlich alle Siegel irgendwie gemeinsam. Alle Siegel verfolgen also ein ähnliches Ziel und haben eine ähnliche Bedeutung, legen ihre Schwerpunkte aber anders.


Wie sieht es also aus bei den Produzent:innen, die in Siegel investiert haben?

Laut Ergebnissen einer vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft finanzierten Studie verbessern Siegel auch tatsächlich die Lebensgrundlage von Bauern. Durchschnittlich steigern sich der Ertrag und die Verkaufspreise. Zwischen den Labels schwanken die Ergebnisse allerdings: Fairtrade führt im Durchschnitt zu einer Ertragssteigerung der Bauern von 13 Prozent, bei Rainforest Alliance sind es 15 Prozent und bei UTZ sogar 32 Prozent. Die Verkaufspreise steigen bei Fairtrade um durchschnittlich 9%, bei Rainforest Alliance um 10 Prozent und bei UTZ nur um 4 Prozent.
Die Label führen also tatsächlich zu einer Verbesserung der Anbaubedingungen der Produzent:innen. Lasche Vorgaben und Tricksereien führen jedoch zu einer offensichtlichen Täuschung der Konsument:innen.
Im Klartext heißt das: Wenn Ihr sicher gehen wollt, dass Eure Schokolade aus nachhaltigem und fairen Anbau stammt, kommt Ihr an einem gewissen Grad an Eigenrecherche nicht vorbei. Grundsätzlich und wie immer ist bei Schokolade letztendlich ein transparenter Bean-to-bar-Ansatz die beste Möglichkeit, gute Anbaubedingungen mit fairem – meist direktem – Handel und Qualität zu garantieren.
Wenn Ihr explizit mehr über die Problematik von Siegeln erfahren wollt, könnten Euch auch unsere Artikel "Was ist die Kritik am Fairtrade-System" und "Wofür steht das B-Corp Siegel" interessieren!


Wo findet Ihr wirklich faire und nachhaltige Schokolade?

Abgesehen von der eigenen Recherche, könnt Ihr Euch auch gerne bei uns im Theyo-Shop umschauen. Wir stecken wahnsinnig viel Zeit in Recherche und Überprüfung der Hersteller:innen, deren Schokoladen wir vertreiben. Unsere Auswahlkriterien sind klar definiert und fokussieren sich auf faire Bezahlung (weit über Fairtrade-Standards) und nachhaltig Anbau-Formen (zumeist weit über Bio-Standards und i.d.R. in Permakultur-Umgebung ohne Abholzung von Regenwäldern) sowie die Herstellung im Ursprungsland des Kakaos.

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